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Entscheidung des ArbG Kiel vom 19.06.2015, Az. 2 Ca 165a/15
Menschen mit Behinderung, die in Behindertenwerkstätten tätig sind, stehen nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis. Im Gegensatz zu einem Arbeitsverhältnis, welches ein Austauschverhältnis zwischen weisungsgebundener Arbeit und Vergütung ist, kommt in einem Werkstattverhältnis als maßgeblicher zusätzlicher Aspekt noch die Betreuung und Anleitung des schwerbehinderten Menschen hinzu. Eine Werkstatt für behinderte Menschen ist gem. § 136 Abs. 1 Satz 1 SGB IX eine Einrichtung zur Teilnahme behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in dasselbige. Das Vertragsverhältnis dient der Erhaltung und/oder Entwicklung zur persönlichen Leistungs- und/oder Erwerbsfähigkeit des behinderten Menschen und stellt gleichzeitig ein Angebot für behinderte Menschen zur Beschäftigung dar. Das Mindestlohngesetz findet gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG Anwendung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und setzt den allgemeinen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff voraus.
Danach können arbeitnehmerähnliche Personen keinen Mindestlohn beanspruchen. Entscheidend gegen eine Erstreckung auf arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnisse spricht die in § 138 Abs. 2 SGB IX enthaltene eigenständige Vergütungsregelung für in Werkstätten für behinderte Menschen Tätige. Diese Regelung wäre ohne Anwendungsbereich, wenn Werkstattverhältnisse unter § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG fielen. Insoweit beinhaltet § 138 Abs. 2 SGB IX eine speziellere Regelung. Darüber hinaus soll der gesetzliche Mindestlohn Arbeitnehmer von Niedriglöhnen schützen und existenzsichernde Arbeitsentgelte sichern. Dies setzt allerdings reguläre Austauschverhältnisse zwischen Arbeitsleistung und Entgelt voraus. Da für ein Werkstattverhältnis die soziale Betreuung und Anleitung von entscheidender Bedeutung ist, muss dieser Aspekt bei der Findung der angemessenen Vergütung für schwerbehinderte Menschen und Werkstätten berücksichtigt werden.




Seit dem 01.01.2015 gilt das Mindestlohngesetz in Deutschland. Das Gesetz schreibt, von einigen Ausnahmen abgesehen, vor, dass Beschäftigte Anspruch auf einen Mindestlohn von 8,50 € haben. Gemäß § 22 Abs. 3 des Gesetzes sind „ehrenamtlich Tätige“ nicht betroffen. Im Gesetz ungeklärt bleibt die Frage, wer als „ehrenamtlich tätig“ zu betrachten ist.In der Literatur hat sich mittlerweile die Auffassung durchgesetzt, dass als ehrenamtlich tätig derjenige gilt, der für seine Tätigkeit im Verein nicht mehr als die sogenannte „Ehrenamtspauschale“ (720,00 € im Jahr) bzw. die Übungs- leiterpauschale (2.400,00 € jährlich) erhält. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass diejenigen Mitglieder des Vereins, die jährliche Zahlungen erhalten, die über die vorgenannten Summen hinausgehen, dem Mindestlohngesetz unterfallen.

Dies bedeutet zunächst für den Verein, dass er die geleistete Arbeitszeit auflisten muss, wenn die monatlichen Zahlungen im Bereich der sogenannten „Minijobs“ liegen. Darüber hinaus darf in allen Fällen nicht weniger als 8,50 € für die jeweilige Stunde geleisteter Tätigkeit gezahlt werden. Im Falle der Verletzung sowohl der Aufzeichnungspflicht als auch der Zahlung eines geringeren Entgelts drohen den Vereinsvorständen empfindliche Bußgelder. Es ist also jedem Verein dringend zu empfehlen, die an Vorstände bzw. Mitglieder geleisteten Zahlungen zu überprüfen, ob die Ehrenamts- bzw. Übungsleiterpauschale überschritten wird. Falls dies der Fall sein sollte, ist eine juristische Beratung dringend zu empfehlen.




Im Jahr 2015 ist verstärkt mit Kontrollen der Deutschen Rentenversicherung auch in Vereinen und Verbänden zu rechnen, ob die Bestimmungen des Künstlersozialversicherungsgesetzes eingehalten worden sind. Nach diesem Gesetz ist Künstlersozialabgabenpflichtig, wer Werbung/Öffentlichkeitsarbeit für das eigene Unternehmen betreibt und nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilt. Die Rechtsform des „Unternehmens“ spielt dabei keine Rolle, auch öffentlich-rechtliche Körperschaften, gemeinnützige Vereine/Verbände, Stiftungen usw. sind abgabepflichtig. Die Abgabepflicht besteht auch für sogenannte „Eigenwerber“, d.h. sie ist grundsätzlich bereits dann gegeben, wenn der Verein/Verband eine Website betreibt, mit der er sich und seine Tätigkeit in der Öffentlichkeit positiv darstellt. Ähnliches gilt für Verbandszeitschriften.

Nach dem Künstlersozialabgabestabilisierungsgesetz, welches am 01.01.2015 in Kraft getreten ist, gilt hier lediglich eine Bagatellgrenze von 450 € im Jahr, die für die Eigenwerbung ausgegeben werden darf. Falls diese Summe überschritten wird, handelt es sich nicht mehr um eine „gelegentliche Beauftragung“ von Künstlern oder Publizisten und die Künstlersozialabgabe muss gezahlt werden. Künstler im Sinne des Gesetzes ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt, also auch Fotografen oder Webdesigner. Publizist ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in ähnlicher Weise tätig ist, also auch Journalisten, die für die Verbandszeitung tätig sind bzw. Referenten, wenn deren Vorträge publiziert werden. Handelt es sich bei den beauftragten Künstlern oder Publizisten um Selbständige, fällt die Künstlersozialabgabe an, wenn die betreffenden Personen in einem Unternehmen (Personen oder Kapitalgesellschaft) angestellt sind, wird die Künstlersozialabgabe von diesem Unternehmen abgeführt. Die Künstlersozialabgabe ist für das Jahr 2015 auf 5,2% festgesetzt, die Festsetzung erfolgt für jedes Jahr gesondert. Der Verwerter – also auch der Verein bzw. Verband – muss bei Vorliegen der Abgabepflicht Meldung an die Künstlersozialkasse machen, bei Verletzung dieser Meldungspflicht droht dem vertretungsberechtigten Vorstand ein Bußgeld. Den Vereinen/Verbänden ist also dringend zu empfehlen, zu überprüfen, ob in der Organisation abgabepflichtige Vorgänge vorhanden sind, im Zweifelsfall sollte Rechtsrat eingeholt werden.




Der BGH hat mit einem Urteil vom 29.07.2014 (II ZR 243/13) entschieden, dass der Beitritt zum Verein auch durch schlüssiges Verhalten beider Seiten erfolgen kann. Der BGH führt aus, dass der Beitritt zum Verein den Abschluss eines Aufnahmevertrages zwischen dem Bewerber und dem Verein voraussetzt, der jedoch auch stillschweigend bzw. durch schlüssiges (konkludentes) Verhalten zustande kommen kann. Im vorliegenden Fall hatte das Mitglied den Beitrag gezahlt und umfangreich Leistungen des Vereins in Anspruch genommen. Die Vereinsorgane (Geschäftsführung und Vorstand) haben das Mitglied auch als solches behandelt. Nach dem BGH ist damit ein Aufnahmevertrag zwischen Verein und Mitglied zustande gekommen, auch wenn das satzungsmäßige Verfahren zur Aufnahme nicht eingehalten worden ist. Nach der Satzung des betroffenen Vereins hätte ein schriftlicher Antrag gestellt und der Vorstand bzw. die Geschäftsführung die Aufnahme beschließen müssen. Wenn also das für die Aufnahme zuständige Organ einen Bewerber als Mitglied behandelt, kann von einer Mitgliedschaft ausgegangen werden. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn nicht der Vorstand, sondern ein anderes Organ für die Aufnahme zuständig gewesen wäre.



Das Kammergericht Berlin hat am 03.03.2014 entschieden (12 W 73/13), dass ein Vereinsmitglied nicht vom Stimmrecht bei der Abstimmung über seinen Ausschluss ausgeschlossen ist. Im vorliegenden Fall war streitig, ob § 34 BGB eine solche Stimmabgabe ausschließt. § 34 BGB regelt das Stimmverbot, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dem Mitglied oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein betrifft. Dies liegt nach der Auffassung des Kammergerichts bei der Beschlussfassung über den Ausschluss nicht vor. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Wahl von Mitgliedern, es ist also keinesfalls so, dass sich das zu wählende Mitglied in der seine Person betreffenden Abstimmung enthalten muss bzw. nicht mitstimmen darf.


Arbeitsgericht Hamburg vom 01.07.2015, 27 Ca 87/15

Grundsätzlich kann die Entwendung geringwertiger Sachen (vorliegend 8 belegte Brötchenhälften) zwar eine außerordentliche Kündigung gem. §§ 626 Abs. 1 BGB b rechtfertigen. Im Einzelfall ist aber immer zu prüfen, ob das verlorengegangene Vertrauen nicht bereits durch eine Abmahnung wiederhergestellt werden kann. Insbesondere kommt eine Abmahnung dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer bei seiner Vertragspflichtverletzung nicht heimlich gehandelt hat, den Fehler zugestanden hat und Unrechtsbewusstsein sowie Reue gezeigt hat.

Zum Sachverhalt:
Im vom AG Hamburg am 01.07.2015, Az. 27 Ca 87/15 entschiedenen Fall hat die Klägerin – eine seit über 20 Jahren als Krankenschwester im Krankenhaus der Beklagten beschäftigte Arbeitnehmerin – 8 belegte Brötchenhälften, die die Beklagte kostenlos für externe Rettungssanitäter zur Verfügung stellt, genommen. Eine Hälfte aß die Klägerin, die übrigen verteilte sie unter ihren Kolleginnen. Als die Beklagte hiervon erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich. Hiergegen wendete sich die Klägerin vor dem ArbG mit Erfolg. Das ArbG Hamburg gab der Klage statt. Die Kündigung war nicht wirksam. Die Klägerin hat zwar in schwerwiegender Weise gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Die anzustellende Interessensabwägung fällt aber zu ihren Gunsten aus, da bereits eine Abmahnung als milderes Mittel ausreichend gewesen wäre um das zerstörte Vertrauen wiederherzustellen. Zu berücksichtigen war hierbei, dass der Vertragsverstoß nicht heimlich begangen wurde, sondern ganz offen erfolgte. Darüber hinaus hat die Klägerin nicht nur ihren eigenen Vorteil, sondern auch das Wohlergehen ihrer Kolleginnen im Blick. Die Klägerin hatte die Brötchenhälften entnommen, um die Einsatzbereitschaft ihrer Schicht aufrecht zu erhalten. Im Weiteren hat die Klägerin nicht versucht, ihr Fehlverhalten zu vertuschen, sie gab dieses zu, zeigte Unrechtsbewusstsein und Reue. Die lange und beanstandungsfreie Beschäftigungszeit der Klägerin ist darüber hinaus positiv zu bewerten. Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung wird nicht ohne Weiteres durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört.


Zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, insbesondere zur Ermittlung des Schwellenwertes nach § 23 Abs. 1 KSchG sind ehrenamtlich Tätige nicht einzubeziehen.

Landesarbeitsgericht München vom 26.11.2014, 10 Sa 471/14

Mit der Erstattung einer Strafanzeige gegen den Arbeitgeber nimmt der Arbeitnehmer ein Staatsbürgerliches Recht wahr. Soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden, stellt die Erstattung einer Strafanzeige nach Ansicht des LAG Hessen daher keinen Kündigungsgrund dar.

Landesarbeitsgericht Hessen vom 27.10.2014, 16 Sa 674/14

Vertrauliche SMS führen nicht zur Kündigung

Ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte oder Kollegen, die nur in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen abgegeben werden, rechtfertigen keine außerordentliche oder ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Vertrauliche Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 22.01.2015, 3 Sa 571/14

Zum Sachverhalt:
Ein als Oberarzt beschäftigter Arbeitnehmer schrieb folgendes per SMS an eine medizinisch technische Operationsassistentin: Oberarzt (16.10 Uhr): „Hi L., soll dich mal aus rein dienstlichen Gründen fragen, ob du stundenweise Rufdienst machen könntest. Am besten wir telefonieren kurz heute Abend nach 20 Uhr. Danke M.“ Operationsassistentin (16.28 Uhr): „Hallo, es ist schon alles mit dem Chef besprochen.“ Oberarzt (16.56 Uhr): „Dann ist ja gut. Heute morgen hat er nichts davon gesagt. Er ist und bleibt ein autistisches krankes Arschl… LG M.“ Nachdem der Chefarzt über diesen Vorgang Kenntnis erlangte, kündigte er dem Oberarzt zunächst mündlich fristlos, später mit ordentlicher Kündigung. Das LAG Rheinland-Pfalz entschied, dass die ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls durfte der Oberarzt darauf vertrauen, dass die Operationsassistentin die SMS nicht an den Arbeitgeber/Chefarzt weiterleiten würde. Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet. Ein Arbeitnehmer darf darauf vertrauen, dass seine Äußerungen nicht nach außen getragen werden und den Betriebsfrieden bzw. das Vertrauensverhältnis zerstören. Soweit der Gesprächspartner später die Vertraulichkeit aufhebt, geht dies rechtlich nicht zu Lasten des Arbeitnehmers, es sei denn, der Arbeitnehmer hat auf den Schutz seiner Privatsphäre und Meinungsfreiheit verzichtet indem er selbst die Vertraulichkeit aufhebt und seine Äußerungen Dritten die Gelegenheit zur Kenntnisnahme gibt.